Historie

Die historische Entwicklung der Miesmuschelfischerei
an der schleswig-holsteinischen Küste.

Die Anfänge

Muschelfischerei wird in Schleswig-Holstein seit über einem Jahrhundert ausgeübt. Die anfängliche Form der Fischerei, bei Ebbe zu Fuß und per Hand, wechselte in vielen Einzelschritten zu der heute entwickelten Form mit speziell hierfür ausgestatteten Kuttern und einem hohen technischen Ausrüstungsstand.

Wurden bis etwa der Mitte des vorigen Jahrhunderts ausschließlich natürliche Muschelbänke („Wildbänke“) befischt, wurde in den Jahren danach die Fischerei sukzessive auf Aquakultur umgestellt: Junge Muscheln (Saatmuscheln) werden von natürlichen Bänken gewonnen und auf Muschelkulturflächen ausgebracht, wo sie ausschließlich unter Nutzung der natürlichen Bedingungen zur Konsumreife heranwachsen.

Herausforderungen 1985-2015

Bis zur Konsumreife dauert es je nach Wachstumsbedingungen zwei bis vier Jahre, in denen die Muscheln allen sowohl guten wie auch negativen Natureinflüssen ausgesetzt sind. Die Muscheln entwickeln sich gut bei entsprechendem Nahrungsangebot in Form von Mikroalgen, sie können verloren gehen durch Sturm, Wellengang und Strömung, Eisgang, Fressfeinden wie Seesternen, Krebsen und Eiderenten oder durch Überlagerung von wandernden Sandbänken. In der Muschelaquakultur kommen keine Hilfsmittel wie künstliche Nährstoffe, Pestizide, Herbizide oder Fungizide zum Einsatz. Es handelt sich um ein rein naturbelassenes Lebensmittel.

Mit dem Inkrafttreten des Nationalparkgesetzes im Jahre 1985 erhielt die Muschelfischerei eine Bestandsgarantie. Auf Drängen der Umweltverbände und der Politik verzichtete die Muschelfischerei 1997 in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Land Schleswig-Holstein auf die Befischung großer Teile des Wattenmeeres und die übrigen Rahmenbedingungen wurden eingeengt. Im Laufe der Jahre wurde dieser Prozess der Muschelfischerei-Einschränkung in mehreren Schritten ausgeweitet. Seit Anfang dieses Jahrhunderts ist die Menge der fischbaren Saatmuscheln stark zurückgegangen; in einigen Jahres gab es überhaupt keinen befischbaren Muschelnachwuchs. Die Ursachen sind ungeklärt und wissenschaftlich nicht erforscht und nicht nur auf Schleswig-Holstein beschränkt. Zurzeit ist eine gewisse Umkehr festzustellen, es bleibt abzuwarten, wie lange diese anhalten wird.

Die Muschelfischerei hat versucht, die durch den ausbleibenden Muschelnachwuchs entstehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit dem behördlicherseits genehmigten Import von Saatmuschen von außerhalb Schleswig-Holsteins (z.B. aus Dänemark) abzumildern. Dies war nach einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht nicht mehr möglich, weil der Import von Muscheln nach Ansicht des Gerichtes nicht mit den Vorschriften des Nationalparkgesetzes zu vereinbaren war. In anderen Ländern wurden Saatmuscheln auch an künstlichen Substraten (Netze, Taue) gewonnen. Dieses System wurde auch von der hiesigen Muschelfischerei als Möglichkeit angesehen, die Saatmuschelgewinnung von natürlichen Standorten zu ergänzen (sog. Saatmuschelgewinnungsanlagen – SMA). Da sich seinerzeit Umweltverbände und Muschelfischerei noch nahezu unversöhnlich gegenüberstanden, war es nicht möglich, vom Land Schleswig-Holstein Flächen für solche SMA genehmigt zu bekommen, unabhängig davon, dass die Muschelfischerei auch diese Art der Saatmuschelgewinnung als vom Nationalparkgesetz privilegiert ansieht.

Der Muschelfrieden 2017

Nach zähem Ringen um die o.g. Konfliktpunkte wurde schließlich am 4. April 2017 ein Kompromiss besiegelt, der als „Muschelfrieden“ bekannt geworden ist. Dieser Kompromiss gibt der Muschelfischerei einerseits das Recht zum Aufbau und Nutzung von SMA, verlangt ihr andererseits aber große Zugeständnisse ab. Die Umstellung auf die Saatmuschelgewinnung per SMA verlangte von den Muschelzüchtern Investitionen in Millionenhöhe in Fangkollektoren und Erntemaschinen. Die Kernpunkte des 2017er Vertrages sind:

  • Etwa 87 % der Nationalparkfläche sind frei von Muschelfischerei und Muschelkulturwirtschaft. Sie findet nur noch in vier von acht Tidebecken außerhalb der Schutzzone I und anderer bei Ebbe trockenfallenden Gebiete statt. Das bedeutet nicht, dass diese Fläche vollflächig befischt wird, tatsächlich findet die Befischung und Nutzung nur auf etwa 0,75 % der Fläche des Nationalparks statt.
  • Die Muschelkulturfläche einschließlich der Flächen für Saatmuschelgewinnungsanlagen wurde von 2.300 ha auf 1.700 ha reduziert.
  • Konsumfähige Muscheln von natürlichen Bänken dürfen weiterhin nicht angelandet werden.
  • Auf dieser Basis ist die Muschelfischerei und Muschelkulturwirtschaft zunächst bis zum 31. Dezember 2031 gewährleistet.

Mittlerweile hat sich erfreulicherweise gezeigt, dass die Muschelzucht in Schleswig-Holstein unter diesen Rahmenbedingungen nachhaltig und wirtschaftlich betrieben werden kann. Die Zusammenarbeit von Muschelzüchtern, Nationalparkverwaltung, Fischereiverwaltung und Umweltverbänden wird heute allseits als harmonisch und konstruktiv beschrieben.