Saatmuschelgewinnungsanlagen

Die Kinderstube der Muschelzucht

Ein sehr wichtiger und dabei auch kritischer Faktor in der Muschelzucht ist der Nachschub an neuen, jungen Muscheln, die nach zwei bis vier Jahren Zucht konsumreif geerntet werden können. Doch woher stammen diese eigentlich?

In der modernen Muschelzucht werden diese sogenannten Saatmuscheln nicht mehr wie früher durch Fischerei auf wilde Bestände oder durch Importe gewonnen. Vielmehr hat sich seit ca. 2015 mehr und mehr eine nachhaltige Methode etabliert, in der die Muscheln mit sog. Saatmuschelgewinnungsanlagen (SMA) ohne Bodenberührung aus der Wassersäule gewonnen werden.

Saatmuschelgewinnungsanlagen sind Netzkollektoren, die in der Nähe der Wasseroberfläche schwimmen und mit Hilfe von Schwimmkörpern und Verankerungspfählen fest in ihrer Position verankert sind. Ein Kollektor ist ca. einhundert Meter lang und reicht vier Meter tief unter die Wasseroberfläche. An diesen Netzen siedeln sich im Frühjahr die Miesmuschellarven an und entwickeln sich zu jungen Miesmuscheln. Mit speziellen Maschinen werden sie dann im Sommer schonend abgeerntet und dann zum Besatz der Muschelkulturflächen verwendet. Diese jungen Muscheln sind dann erst wenige Millimeter groß.

Die SMA benötigen einen geschützten Standort, der auch genügend Wassertiefe aufweist, damit die Netze bei Niedrigwasser im Wattenmeer nicht den Boden berühren. Ebenfalls müssen diese Anlagen der Strömungsrichtung angepasst werden und genügend Abstand untereinander aufweisen, damit die Schiffe zwischen den einzelnen Netzen hindurch fahren können, um sie abzuernten und zu pflegen.

Zudem werden für die Errichtung einer neuen SMA diverse Genehmigungen und Freigaben benötigt, z.B. in Hinblick auf Fischereirecht, Naturschutz, Küstenschutz und Wasserstraßenrecht. Auch die Vertreter der übrigen Fischerei werden an der Standortentscheidung beteiligt, d.h. sie bekommen Gelegenheit, sich zu den vorgeschlagenen Standorten zu äußern und ihre etwaigen Bedenken vorzutragen. Hier kommt es immer wieder zu Einwänden seitens der Krabbenfischerei.

Von einer Anlage können bei günstigen Bedingungen zwischen acht und fünfzehn Tonnen Jungmuscheln jährlich geerntet werden. Somit ist die Wahl geeigneter Standorte im Wattenmeer von großer Bedeutung. Heute weiß man, dass der Bereich östlich von Hörnum (Sylt) bis etwa zur Mitte des Hörnumtief-Fahrwassers dafür besonders geeignet ist. Auch im Bereich Büsum gibt es gute Ergebnisse.

In jedem Herbst müssen alle Anlagen zum Schutz vor Wellen- und Eisgang abgebaut und im Frühjahr wieder ausgebracht werden. Die Saatmuschelgewinnung an SMA ist damit deutlich arbeits- und kostenintensiver als das Auffischen wilder Saatmuschelvorkommen.

Da die jungen Muscheln bei zu starkem Seegang von dem SMA herunterfallen können und dann unwiederbringlich verloren sind (so geschehen bei Büsum in 2019 und in 2023), sind die Muschelzüchter in Zukunft dringend auf Anlagen in geschützten Bereichen angewiesen.